Dieses Liederbuch des Bad Bonner Tonvereins versüsst uns den literarischen Frühling. Beinahe übervoll von erfinderisch tonverneinten Melodien und den Liebeserklärungen aus dem Facettenreich der Musik. Vom weitgereisten Szenekenner bis hin zum Freak um die Ecke zeigt man sich gleichermassen entzückt. Von Maurice Angst
Where the hell is Bad Bonn?! Nirgendwo nordöstlich der Stadt Fribourg, auf Grund und Boden der Gemeinde Düdingen, ein bisschen ausserhalb des Dorfs, wo Staub und Lärm der Autobahn A12 sich scheinbar langsam zur Ruhe legen, könne man, sagen die Leute, schon ein erstes Mal von der sagenumwobenen Magie schnaufen, die seit nun mehr 25 Jahren quasi als Dauergast dem Bad Bonn innewohnt. Auch von dieser sich ständig aufs Neue, von bleibenden als auch flüchtigen Ideen in der schier unersättlich getriebenen Luft aus Gier und Strom. Sie liegt über jenem anzüglich reizenden Schmelztiegel von progressivem, mal zurück, vorhin und dann wieder hereilendem Sound. Wer weiss, womöglich vermag er ja zuweilen aus einer nicht allzu fernen Zukunft, bei perfektem Abflugwetter, bei ein, zwei kleinen Turbulenzen, manch Lernwilligem einen kurzen Moment der Klarheit schenken, wie ein heimlicher Farbwechsel des Augenblicks anmuten. Denn gehörig, ja mittlerweile fast anmassend vielerorts, darf man seinen filigran geschmückten Geschichten lauschen, von angeblich freien Zeitgeistern und von reaktionärem Wagemut förmlich sprühenden Phantasten. Und bestenfalls verläuft man sich gleichwohl in ihnen, kreuzt und quert die Wege der, vielleicht bloss sturköpfigen Querulanten, von etwas tapsigen, höchstens aber tollpatschigen Visionären.
Erschienen ist die 544 vielseitige Lektüre in einer verschwindend bescheidenen Erstauflage von grade mal 1000 Stück in der Edition Patrick Frey. Die – wie könnte es auch anders sein, ist man versucht zu fragen – von verspielten Klängen untermalte Taufe, fand am 16. März am Ort der Zeugung statt. Als seine stolzen Eltern im Geiste, dürfen wir an dieser Stelle Adeline Mollard, Katharina Reidy, Patrick Boschung und Daniel «Duex» Fontana von der oben erwähnten Interessengemeinschaft rund ums Kultcafé nennen. Seine Autoren allerdings, das versteht sich spätestens beim ersten, wahrscheinlich wenig aufmerksamen Blick auf die Artistenliste, das sind die in jenem immer weiter über die Landesgrenzen hinaus nur von Laien unter Wert geschätzten Club aufgetretenen Klangschöpfer selbst.
Über zweieinhalb Jahre hinweg hinterliessen vergessene, legendäre, noch nie, vorwiegend im Hintergrund oder schon zuviel gehörte Künstler dem Konzertlokal einen Track. Manche schrieben ihren Text mitsamt den entsprechenden Gitrarrengriffen liebevoll, zuweilen kindlich verspielt nieder, skizzierten, malten, illustrierten ihn. Andere wiederum bewiesen sich gleich in allen Disziplinen und ein paar einzelne erfüllten ihre Aufgabe – womöglich etwas hilflos, nicht im geringsten minder kreativ deswegen – auf die bewundernswert unerwartetsten Art und Weisen mit Bravour. So erfreut sich der Nicht-Noten-Leser quasi durchs Band an jenen an die Oberfläche gespülten Ausdrücken von kaum erahntem, ans Tageslicht drängendem Talent. Als zusätzlich in Erscheinung tretende Nebenwirkungen dürfen sicherlich konstant lässig wiederkehrende Angriffe auf die Lachmuskulatur, eine Vielzahl an visuell und poetisch Variablem, die Kostbarkeiten und Zückerchen, vergnügt beflügeltes Stöbern, wohl kaum nur riesenunbeschwerter Lesespass, das aus dem poetischen Stein gemeisselte Staunen, jetzt auch nicht ausschliesslich unerwähnt bleiben.
In diesem hier erneut mit Nachdruck an euere von Freude schon ganz wild hüpfenden, hoffentlich niemals pausenlos allzu erwachsenen, vor allem aber entdeckungshungrigen Herzen gelegte Sammelwerk jedenfalls, findet sich ein wahrlich nicht unbeachtlicher, überschaubar müheloser Beitrag jener, die sich zu eben diesen grossen, kleinen und auch munzigen Legenden zählen dürfen. Sie sind Teil von diesem, von Bern kaum mehr als einen noch nie dagewesen kraftvollen Steinwurf entlegenen Mythos und Idyll, beschaulich in der Tiefe der Provinz. Es ist nicht nur irgendein abwechslungs- sowie inhaltsreich verwunderndes Haus, das, und Folgendes sei gleich wieder verziehn, also echt jetzt ziemlich hässlich ist, aber irgendwie ja auch schön und auch so bleiben soll. Einer stattlichen Menge an Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit verschiedensten Vorfreuden, zaubert’s ganz offensichtlich ein zufriedenes Grinsen auf die Lippen. Bad Bonn, einst beschaulicher Kurort und Thermalbad, heute Treff- sowie auch Fluchtpunkt der ansässigen Jugend sowie einer internationalen Avantgarde, bestehend aus Vertretern randständiger Populärmusik und deren leidenschaftlichen, nicht selten wunderbar kauzigen Liebhabern. With a whole lotta love since 1991, und nun auch mit einer eignen Wundertüte.
Als dürfte man zwischen diesen verheissungsvoll glitzernden, im edlen Schwarz des Rock’n’Rolls gehaltenen Buchdeckeln einen kurzen Blick hinter
die Bühne, ins von Kreativität sprudelnde, offen dargelegte Innenleben der Künstler werfen.
Und das sieht gut aus.
Bonn Jour.