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Im Gespräch mit Sensu

Von Faltfächern, Radiosendern und Rosalía

Im hektischen Hin und Her der Swiss Live Talents haben wir uns auf ein Bier mit Sensu in den Kinosesseln des City Pubs getroffen. Ein Interview mit einer der vielversprechensten Künstlerinnen in der Schweizer Electro-Szene. Von Marc Tschirren

BM: Im September wurde dein erstes Album «Embrace» mit zahlreichen Featurings, wie beispielsweise Benjamin Amaru, in Zürcher Exil getauft. Ein sehr facettenreiches und auch weltliches Album. Welche Einflüsse haben während der Schaffung der einzelnen Tracks auf dich eingewirkt?

Sensu: Vor allem die elektronische Musikszene hat mich stark beinflusst, speziell die australische Szene mit Flume, welche mich in dieses Genre abschweifen lassen. Dadurch ist Sensu überhaupt entstanden. Während dem Producing der Tracks sind natürlich viele weitere Einflüsse dazugekommen, viel Black Music und besonders auch Hip-Hop. Zudem haben meine Reisen und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Kulturen und Menschen inspirierend auf mich eingewirkt.

Edit: Seit dem Interview hat Sensu überraschend, oder eben nicht, einen Remix von Flume’s Track „Running Back“ releast. Intensiv und uplifting.

BM: In Schlagzeilen rund um dein Schaffen finden sich Aussagen von Journalisten wie «Aufbrechen der Klischees der elektronischen Klubmusik» oder auch «Sie passt in kein Genre». Ist dieses Genre-Übergreifende – dieser Faltfächer – für dich eher befreiend oder fühlst du dich auch hin und wieder musikalisch verloren?

Sensu: Hmm… Solche Gedanken können auch Blockaden auslösen, obwohl es absolut keinen Grund gibt, mich verloren zu fühlen. Für mich ist es ein Freiheitsgefühl, dass ich so viele Elemente zu meinem eigenen Sound machen kann. Aber es gibt sie immer wieder, diese Ups and Downs.

BM: Fehlen dir dann nicht auch die «Guidelines» anderer Künstler und ihres Schaffens? Es gibt ja immer wieder musikalische Entwicklungen welche du verfolgen kannst oder eben auch nicht – die dir als Wegweiser dienen könnten.

Sensu: Es geht, denn in meiner Musik hört man immer noch stark die Elemente aus dem Hip-Hop und der elektronischen Musik, aus welchen ich mich mit einzelnen Elementen bediene. Diese Elemente geben mir Orientierung und werden dann in Kombination zu meiner Musik. Dabei entstehen auch Tracks, die zwar spannend waren, um sie zu kreieren, aber nicht Sensu sind. Diese werden dann auch nicht veröffentlicht. Somit ist mein Schaffen zwar frei, aber nicht komplett losgelöst von Genres. John Bürgin hat es da schon gut getroffen mit seiner Aussage, dass ich Electronic mit einer Black Music Attitude mache.

Auf ein Bier mit Sensu

BM: Im Oktober wurdest du zum SRF Best Talent gewählt. Deine «Nachfolgerin» im November, Naomi Lareine, ist bei ihrer Ernennung im Interview in Tränen ausgebrochen. Wie wichtig ist eine solche Auszeichnung für dich?

Sensu: Ich hab Naomi gerade vor zwei Wochen auf einem Festival getroffen und wir haben uns darüber unterhalten. Es war gerade der Start ihres «Best Talent»-Monats. Es bestätigt mich stark in meinem Tun und es ist sehr schön, eine Auszeichnung vom SRF zu erhalten und so wertgeschätzt zu werden. Auch ich wurde in diesem Moment, als ich die Information erhielt, sehr emotional. Da ich aber in den Ferien war, konnte man das nicht filmen. Vielleicht zu meinem Glück (lacht).

BM: Und was hat sich seit dem Erhalt dieser Auszeichnung bei dir verändert?

Sensu: Man kriegt vor allem mehr Aufmerksamkeit in der Schweiz, man erreicht ein breiteres Publikum. Man merkt auch, dass viele SRF3-HörerInnen meine Musik nun hören, die vielleicht auf anderem Wege nicht auf mich gestossen wären. Das steigende Bewusstsein und die Wertschätzung freut mich sehr.

BM: Was war deine bisher grösste Herausforderung in deinem musikalischen Werdegang?

Sensu: Mein Album, ganz klar. Ich wusste, ich beginne nun an diesem Album zu arbeiten, mit einem gewissen Konzept, was für mein damals bisheriges Schaffen next level war. Mit diesem Album habe ich mich stark herausgefordert. Beispielsweise haben wir schon während der Produktion den Plattenvertrag unterschrieben und bis es dann da war, sind zwei Jahre vergangen. Man hinterfragt konstant die Songauswahl und ist dabei auch sehr kritisch mit seinem eigenen Werk. Das war aber auch ein sehr spannender und lehrreicher Prozess.

BM-Redakteur Marc Tschirren mit Sensu vor dem City Pub Bern.

BM: Ich nehme an, dass einige Tracks in diesem Prozess auch wieder vom Album gestrichen wurden. Welcher Track war von Anfang an in Stein gemeisselt?

Sensu: Lustigerweise «Escape». Das war der erste Track den ich produziert habe und dieser ist bis zur Veröffentlichung im Album geblieben.

BM: Wenn du etwas an der Schweizer Musikbranche ändern könntest, was wäre es?

Sensu: Mein Gott, ganz viel (lacht). Sagen wir es so: Ich habe das Gefühl, das die Schweizer Musikbranche vom Gedankengut her, wie Musik zu funktionieren hat, einfach anders tickt, ob das nun positiv oder negativ sei dahingestellt. Ich finde es einfach schade, das die Musikbranche in der Schweiz tendenziell eingeengter funktioniert. Beispielsweise, wenn eine Künstlerin wie ich ein Live-Set spielt, ist das Verständnis für den Live-Moment in der elektronischen Musik nicht wirklich vorhanden. Zudem empfinde ich oftmals, dass man mit einer Band oder Instrumenten mehr Wertzuspruch erhält, als wenn man ein elektronisches Live-Set spielt. In anderen Ländern wie Frankreich oder England ist da das Verständnis völlig anders. In der Schweiz wird anders gewertet. Und wenn es um Radio-Plays geht, bin ich froh um Sender wie das SRF, welche Newcomer pushen. Dennoch erhalten diese Künstler in meinem Augen noch nicht genug Aufmerksamkeit und es wäre toll, wenn die kommerziellen Sender diese in ihren Rotationen aufnehmen würden. Momentan muss man da so und so viele Plays haben, damit mit man überhaupt einmal gespielt wird. Aber ich spüre hier auch eine Wandel, welcher mich auf Besserung hoffen lässt.

Marc: Welcher Track läuft auf deinem Spotify-Account auf und ab?

Sensu: Uff, schwierige Frage, ich arbeite da meistens mit Mood-Playlists. Aber lass mich schauen: Rosalía beispielsweise, von ihr bin ich Überfan, sie bringt mich total aus dem Häusschen. Aber da gibt es unzählige aus vielen Genres.

BM: Breitgefächert, also (lacht). Vielen Dank für das angenehme Interview und wir wünschen dir ein tolles Set in der Einspruch Diskothek heute Abend.


Hier gibt es das neue Album von Sensu zum Geniessen:

So 08.12. 2019