Der Bewegungsmelder begab sich in einen Bandraum drei Stockwerke unter Berns Strassen, und sprach mit dem Sänger und Frontmann von YOKKO, Adrian Erni. YOKKOs zweites Album «To the fighters. To the boxers.» stieg direkt auf Platz zwei in die Albumcharts ein. Von Sven Sommer
Wir werden von Adrian Erni bereits oben an der Türe empfangen. Er führt uns durch ein Labyrinth aus Gängen und Luftschutzbunkertüren ins dritte UG. Schon vor der Tür steht eine Menge Musikkrempel herum, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was sich im Innern des eher kleinen Bandraumes an Equipment aufgetürmt hat. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wir setzen uns auf die uns angebotenen Sitzgelegenheiten und befragen Adi (Coverbild) zu seinem Handwerk.
Erstmal Gratulation zum Platz zwei in den Albumcharts.
Danke!
Habt ihr damit gerechnet?
Nein.
Echt nicht? Immerhin schaffte es euer erstes Album «Seven Seas» auch bis auf Platz 10.
Nein. Ich meine natürlich hatten wir die Hoffnung, dass es gut ankommt und wir somit sämtliche Beteiligten und Partner der Band stolz machen, mit uns zu arbeiten. Aber es kam schon sehr unerwartet. Crazy. Damit rechnet man nicht, dass es beim zweiten Mal wieder so einschlägt. Du musst dir vorstellen, wir waren seit letztem Sommer mittendrin, in viel Arbeit und dann kommt sowas. Echt crazy! Gerade eben habe ich erfahren, dass es für Morgen (Konzert im Bogen F) nur noch etwa 10 Tickets übrig hat. Es nimmt langsam extrem gewöhnungsbedürftige Dimensionen an. Es ist ein absurdes Gefühl: 300 Leute kaufen ein Ticket um uns spielen zu sehen und wir haben unseren Bandraum immer noch im 3. Untergeschoss irgendwo in Bern, wo wir ein bisschen was rumpröbeln und dann daraus eine Platte machen. Wir sind sehr dankbar dafür. Ein tolles Gefühl!
Um gleich beim Album zu bleiben: Bei «To the fighters. To the boxers.» schnalle ich das Coverbild nicht ganz. Ist das gewollt oder gibt es da einen Bezug dazu?
Es hat sogar einen sehr grossen Bezug. Du musst dir vorstellen, für uns war das Debutalbum und alles was drum herum passierte einfach too much. Von so ziemlich Null auf eine Bühne mit 12’000 Zuschauern, wie machst du das? Keine Chance. Dadurch kamen wir auch zum Schluss, eine Zeit lang keine Konzerte mehr zu spielen. Durch den damit einhergehenden Druck, verloren wir ein bisschen die Freude an der Musik. Die Mauer auf dem Coverbild steht für das, was wir mit dem zweiten Album für uns gemacht haben. Wir durchbrachen diese kurze Flautephase. Es ist so: Wenn du deine erste Platte aufnimmst und die dann auch noch so gut ankommt, bist du in einem rauschähnlichen Hoch. Doch darauf folgen so viele Dinge, die neben der Musik auch noch gemacht werden müssen, wie das Booking und das Tourmanagement, Interviews da und dort. Plötzlich war uns bewusst, dass es nicht mehr nur um das an der Musik ging, was wir mega gern machen und was wir dann auch etwas verloren haben. Mit dem zweiten Album haben wir uns dann gesagt, dass wir den Weg aber trotzdem weitergehen und Musiker sein wollen. Das symbolisiert das Cover vorne auf dem Album, zumindest für mich. Vielleicht bedeutet es für jeden in der Band wieder etwas anderes, aber für mich ist es der Entscheid: Hey ich gebe alles und ich gehe auch dort durch, wo es vielleicht unangenehm ist.
Ihr habt das Album in Berlin aufgenommen und zwar analog auf Tapes. Wäre es nicht viel einfacher das ganze digital aufzunehmen?
Das wäre viel einfacher. Doch Musik ist Schwingung und ich bin der Ansicht, dass alles was ein Mensch macht, wenn man es herunterbricht, auch eine Schwingung ist. Diese Schwingungen analog aufzufangen ist aber massiv schwieriger, als dasselbe digital zu machen. Analog kommt einfach ein sehr sauberes, ein sehr kontrolliertes Signal und genau das brauchten wir, um auch wirklich einen Sound zu erschaffen und nicht einfach nur eine App aufzutun und voreingestellte Preamps zu verwenden. Klar ist die Zukunft digital und wer weiss, vielleicht wird das nächste Album ein Dance Projekt (lacht), aber für dieses Album passte es auf diese Weise.
Ihr macht sehr viel in Eigenregie. Habt ihr jemanden, der den Lead bei gewissen Parts, z.B. gerade beim Aufnehmen, übernimmt, oder bestimmt ihr darüber basisdemokratisch?
Schon eher basisdemokratisch. Das ist auch gerade das Mühsame (lacht). Wenn alle mitreden und ihren Senf dazugeben, geht manchmal schon etwas Zeit verloren. Dies bringt halt die Entscheidung mit sich, eine Band zu sein und nicht etwa zwei Bandleader mit musikalischem Anhang. Das gehört dazu. Für die Aufnahmen zu diesem Album war aber Phippu (Phillipp Treyer, der Gitarrist von YOKKO) zu etwa 80% für die Aufnahmen verantwortlich. Also der Produzent so zu sagen. Ich hatte einen Vocal-Coach und auch bei den Synthies hatten wir jemanden externes, der sich super damit ausgekannt hat. Auch diese Personen haben einem grossen Teil zum Album beigetragen. In Ihrer Funktion als Mentoren und Herausforderer haben sie uns viele neue Wege gezeigt, wie man zu einem Ziel gelangen kann. Wir in der Band sind alle noch jung und sie kennen sich in ihrem Fach besser aus. Aber den klassischen Produzenten, der uns vorgibt wie die Songs klingen sollen, der uns sagt: «So klingt YOKKO», so jemanden haben wir nicht. Alles ist zu 100% von uns.
Wer schreibt denn bei euch die Texte?
Das ist zu meinem Part geworden. Für dieses Album habe ich circa 80% der Texte geschrieben. Früher schrieben alle in der Band Texte, ein grosser Teil schrieb Dani (Daniel Fanslau, Keyboard und Synthesizer). Nur weil ich der Frontmann bin und das lauteste Mikrofon habe, bin ich nicht der einzige, der etwas sagen will. Ich habe alle Geschichten zu den meinen gemacht, aber es sind nicht alles meine Geschichten. Zum Beispiel «Bloodline» hat Phippu geschrieben, «Disclaimer» ist von Dani. Dahinter stehen Geschichten, die raus müssen und wenn dies mit der Gitarre oder dem Synthie nicht geht, schreibt man halt einen Text darüber.
Nächste Frage, diesmal zur Formation. Jeder von euch spielte vorher in anderen Bands mit anderen Musikstilen. Welche Genres und Einflüsse vermischten sich in YOKKO zu eurem «Atlantic Wave»?
Es sind sehr viele Verschiedene und total Unterschiedliche. YOKKO ist eine Band, die durch die Musik zueinander gefunden hat und nicht eine Band, die sich seit Jahren kennt. Jeder bringt seinen Teil mit. Von Hiphop über Reggae zu krautigem Zeugs aus den 70ern. Wir hören auch nicht alle dieselbe Musik. Das wäre in dieser Band auch langweilig.
Ihr spielt ausverkaufte Konzerte in der Turnhalle und im Bierhübeli und habt auch den Bandraum hier in der Stadt. Wieso gerade Bern? Ihr seid ja nicht alle aus Bern, du zum Beispiel kommst aus dem Aargau, andere aus der Band wohnen in Zürich.
Iu (lacht). Dies ist eben dieser musikalische Weg, von dem ich vorher gesprochen habe. Ich bin hier so reingeplumpst. Dies war ein Zufall, an den ich mich noch gut erinnern kann. Diese Geschichte erzähle ich nicht sehr oft. Phippu kannte ich von einem Projekt, wo wir beide um die 12 oder 14 Jahre alt waren. Er rief mich an und fragte, ob ich Lust auf ein Vorsingen hätte, er suche einen Sänger für ein neues Projekt. Ich sagte zu und gelangte dann an einem Samstag-Morgen ziemlich verkatert in eine professionell aufgezogene Audition mit einigen andern potenziellen Kandidaten. Wie man sieht haben sie mich genommen. Ab diesem Moment hat alles zusammengepasst. Ich hätte nie gedacht, dass ich fünf Jahre lang dreimal die Woche von Baden nach Bern fahren würde. Weil das mit der Band nun so gut funktioniert und immer intensiver wird, halten wir nun nach einem Bandraum Ausschau, für den alle etwa den gleich langen Weg haben.
Zum Schluss: Ist es euer Ziel, einmal von der Musik leben zu können, oder tut ihr das schon?
Momentan arbeiten wir alle noch in unseren Jobs, obschon YOKKO bereits viel Zeit in Anspruch nimmt. Als Ziel würde ich es nicht sehen, von unserer Leidenschaft leben zu können. Entweder es kommt oder es kommt nicht. Für uns – oder zumindest für mich – ist die Musik der Katalysator den ich brauche und es ist mir viel wichtiger, dass ich davon weiterhin Gebrauch machen kann. Aber wenn ich davon die Wohnung und die Versicherungen bezahlen kann, ist es natürlich eine win-win Situation. Ich denke, wenn man Musik machen muss und einen Vertrag mit einem Label hat, kommen noch weitere Aspekte dazu, die eigentlich nicht zur Musik gehören. Wir wären dann verpflichtet, uns an musikalische Vorgaben zu halten und wären sicherlich weniger frei. Doch damit setzen wir uns auseinander, sobald wir soweit sind. Vorher verdienen wir unsere Brötchen weiter von Montag bis Freitag im Büro.