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Im Gespräch mit dem Popup APLATI

Junggastronomie «vo hie»

Von Burgdorf via Lenk nach Bern: Das Popup APLATI von Céline und Camille begrüsst euch aktuell in Bern mit ihrer «Gastronomie en route» in der Berner Schalterhalle im Rossfeld. En route? Ja, das ist Konzept, ihre Gastrokoffer stets aufs Neue einzupacken, wie sie im Gespräch dem BM erzählen. Von Roman Dautzenberg

Bereits seit vielen Jahren serviert die Gastronomie mehr als nur Essen und Wohlbefinden. Die Kundschaft möchte wissen, woher die Produkte kommen und wo die Inspiration für die Mahlzeiten entsprungen ist. APLATI geht hier einen Schritt weiter; statt Storytelling betreiben die Schwestern Céline und Camille Rohn wohl eher etwas, was man «Storyliving» bezeichnet, indem Sie zwischen Phasen des Küchenbetriebs zu den Produzierenden gehen, um den Ursprung der Nahrungskette zu verstehen. Der Bewegungsmelder spricht mit den zwei Junggastronominnen aus Burgdorf.

Camille, rechts, und Céline Rohn, links, bei den Vorbereitungen für das Abendessen in der Schalterhalle im Rossfeld.

«Äs isch nid eifach es Rüebli, da steit no so viu meh drhinger.»

Camille Rohn über ihre Gastro-Philosophie

Hintergrund: Céline und Camille Rohn, in Burgdorf zweisprachig aufgewachsen und an der Hotelleriefachschule Thun ausgebildet, starten APLATI spontan im Sommer 2019 in Burgdorf. Dabei bricht ihre Passion für die Gastronomie auf und sie finden sich wenig später in der Lenk Lodge wieder. Ihre Gastronomie ist vielseitig und kreativ, dabei jedoch immer regional und nachhaltig. Es kommen keine Edelstücke auf den Teller, Gemüse kommt aus Foodsave-Programmen. Zwischen den Pop-Ups absolvieren sie Alpsennenkurse oder helfen bei der Aprikosenernte mit. Aktuell sind sie in der Schalterhalle im Rossfeld, jeweils mittwochs bis samstags mit verschiedenen Angeboten. Mehr zu ihrem Pop-Up: www.aplati.ch

BM: Ihr wart in Burgdorf, der Lenk und seid nun in Bern, jeweils nur für wenige Monate. Wieso nehmt ihr den Mehraufwand dieser Umzüge immer wieder in Kauf?

Céline: Das ist die «Gastronomie en route». Wir sind gerne flexibel, entwickeln uns weiter und gehen neue Kooperationen ein. Gewisse Lieferanten sind zu Freunden geworden und unterstützen unsere Projekte, andere passen wir dem Ort an. Es ist extrem spannend, neue Orte kennen zu lernen, mit ihren Höfen und Betrieben …

Camille: … und auch die regionalen Traditionen rund um den Genuss. Burgdorf war ganz anders als Lenk, zum Beispiel die Molkereiprodukten. Wir hätten nie einen Alpsennenkurs gemacht, wenn wir nicht all die Berge mit ihren Käsen um uns gehabt hätten. Die Geschichten hätten wir nicht an einem anderen Ort aufgabeln können.

Von Burgdorf via Lenk nach Bern in die Schalterhalle im Rossfeld: Das Popup Aplati.

BM: Es ist verständlich, die Vielseitigkeit verschiedener Orte kennen lernen zu wollen. Doch ihr könntet auch die Vielseitigkeit eines Ortes über die Jahreszeiten auskosten, ohne immer wieder eure Sachen packen zu müssen.

Camille: Man muss halt auch eine Lokalität finden, die ein Jahr lang leer steht. Das haben wir bisher nicht aktiv gesucht und wäre uns auch nicht in den Schoss gefallen. Und dann ist es unternehmerisch einfacher, wir haben ein sehr tiefes Risiko. Wenn es nicht funktioniert, sind wir nach wenigen Monaten wieder weg, wir haben tiefe Investitionskosten und es gestaltet das Marketing einfacher. Wir können sagen: «Kommt jetzt, wir sind in vier Monaten weg». Das hat uns bisher immer Schwung verschaffen, den wir für die Zeit aufrecht erhalten wollen.

BM: Das hört sich alles sehr einfach an. Gibt es denn genügend Chancen im Raum Bern für eure Art der Gastronomie?

Céline: Es sind manchmal schon spontane Zufälle, jedoch ist der Initialaufwand immer wieder sehr gross – es ist jedes mal eine Neueröffnung. Wir sind zwar jetzt in Bern, müssen aber bereits daran denken, was im Sommer kommt. Das Risiko pro Projekt ist zwar relativ klein, aber wir können uns nicht erlauben sieben Monate lang nichts zu machen, weil wir nichts Passendes gefunden haben. Wir merken aber jetzt schon, dass es sehr viel Netzwerk ist, welches man aufbaut.

Camille: Leute kommen auf uns zu, sagen, sie hätten hier noch etwas leer oder dort noch eine Lagerhalle, wo man eine Küche reinmachen könnte. Aber es ist nicht einfach, wir sind jetzt in diesem Suchprozess und das ist schon aufwändig. Die Anforderungen unserer Projekte sind nicht einfach zu erfüllen, wir brauchen eine vollausgestattete Küche, etwa 20 bis 30 Sitzplätze …

Céline: … und wir wollen nicht nur einen Monat, sondern wir suchen nach drei bis vier Monaten, eben wegen diesem grossen Initialaufwand. Oft haben wir am Anfang eine recht breite Palette an Ideen und tauschen uns mit vielen Personen aus. Zum Beispiel waren wir im Gespräch mit einem Restaurant, welches nur Mittagsbetrieb macht, so dass wir die Abendküche hätten gestalten wollen. Das ging dann aber nicht, weil sie bis um fünf in der Küche sind, mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag.

Camille: Das war sogar unsere ursprüngliche Idee, weswegen wir nach Bern gekommen sind. Es gibt ja einiges hier: Das contact im Monbijou, oder die Fabrique28, aber das haben wir uns zu einfach vorgestellt.

Céline: Der Start ist immer ein Sprung ins kalte Wasser. Im Rossfeld waren wir uns lange unsicher, ob das gut kommt, da wir etwas ausserhalb der Stadt liegen und somit keine Laufkundschaft haben.

«Ä Hof, wo me diräkt cha bezieh, wo villech paar Bienestöck hei, es paar Hüehner wo umeseckle.»

Céline Rohn über ihre Traum-Lokalität

BM: Man muss also trotzdem auch einfach nehmen, was kommt. Was wäre denn eure Wunschvorstellung?

Céline: Das ist spannend, da wir einen gewissen Kundenstamm aufbauen mit diesen Projekten, die bereit wären, ein wenig zu reisen, um APLATI wieder einmal zu erleben. Was uns in der Lenk sehr gefallen hat, war der enge Austausch mit den Produzenten und Lieferanten, was allgemein auf dem Land etwas einfacher ist.

Der Traum wäre also etwas ausserhalb der Stadt, auf einem Hof, wo man direkt beziehen kann, die vielleicht ein paar Bienenstöcke haben, es paar Hüehner wo umeseckle. Die Produkte wachsen und entstehen unmittelbar um einen herum und werden dann in der Küche direkt verarbeitet und so serviert, dass die Gäste die Geschichten nicht nur hören, sondern wirklich selber erleben.

Camille: Vielleicht wäre es auch eine Möglichkeit, – etwa um den Aufwand gering zu halten – eine Saison jeweils in der Schalterhalle im Rossfeld zu bleiben, und in der anderen Saison auf dem Land oder in den Bergen zu sein. Die Lenk war spannend für uns, da wir die Küche des Garni-Hotels perfekt auslasten konnten, eine Spielwiese mit recht tiefem Risiko zum ausprobieren hatten, und das bei perfekter Infrastruktur. Dazu kommen die Hotelkunden, wodurch ein Teil der Kundschaft sicher war. Und auch für das Hotel waren wir ein echter Mehrwert, da man den Gästen das Abendessen nun auch anbieten konnte. Ich kann mir einen solchen Betrieb gut vorstellen und würde es mir auch wünschen, dass man offener denkt und mehr Kooperationen anstrebt und die entstehenden Synergien nutzt.

BM: Reden wir etwas über die Gastronomie im Allgemeinen. Was stört euch am Umgang der Schweiz mit der Gastronomie?

Céline: Gerade in dieser Krise sind viele ausgestiegen, wobei das nicht nur Aufgrund der schwierigen Bedingungen zurückzuführen ist. Ich denke manchen fehlt das Herzblut, das Feuer in der Gastronomie. Wir haben dieses Feuer, weil wir die Geschichten dahinter kennen, den Kreis schliessen von Produzenten, Gastronomin und Gast. Es ist ja so sinnvoll, was man in der Gastronomie macht. Man sollte mehr Stolz darauf sein, Gastronom:in zu sein. Man muss aber auch sagen, dass wir uns extrem in einer Blase bewegen. Viele Leute können es sich schlicht nicht leisten, sich so zu ernähren, wie vielleicht unsere Traumvorstellung wäre.

Camille: Sehr viele Gäste gehen nicht nur satt, sondern wirklich berührt heraus. Da lohnt es sich, dass wir mittwochs unsere Hoftour machen und wir die Geschichten mitservieren können. Es bekommt dann eine gesellschaftliche Dimension, es geht nicht mehr um Nahrungsaufnahme. Man sollte nicht nur den Gaumen, sondern auch das Gemüt berühren.

«Aromat gits höchstens uf emne Osterei»
«Bim Grosi»
«Mit Mayonaise»

Céline und Camille Rohn über Aromat

BM: Was kommt bei euch nicht in die Küche?

Camille: AROMAT!
Céline: AROMAT, dem kann ich zustimmen.

BM: Wieso?

Céline: Es schmeckt alles nach Aromat, ist hochverarbeitet und dort steckt so wenig natürliches drin.
Camille: es übrdeckt när aues, es Rüebli het so ne guete Eigegschmack
Céline: Aromat geit höchstens uf emne Osterei.
Camille: bim grosi
Céline: Mit Mayonaise! Ich hätte spontan wohl eher an Hummer oder so etwas gedacht. Oder allgemein Salzwasserfisch und andere Lebensmittel, die nicht aus der Nähe kommen können.

BM: Bereits als Kinder habt ihr gemeinsam gekocht. Was war das erste was ihr Kochen konntet?

Céline: Wir haben jeweils ein 3-Gang-Menü gekocht für unsere Tageseltern, aber ich weiss nicht mehr, was wir damals so gekocht haben. Tomatensosse war sicher eine der ersten Sachen …
Camille: … da haben wir viel probiert mit verschiedenen Kräutern, und dann hatte man zu viel Kräuter drin. Ansonsten waren es vielleicht Älplermaggaroni oder Café Complet, das haben wir zuhause ziemlich zelebriert. Gutes Brot, Butter und ganz viele Komponenten. Da haben wir früh angefangen mit einem feinen Aufstrich oder ein Jogurt oder Müsli und diese dann am Tisch kombiniert. Das haben wir jetzt hier auch mitgenommen in Bern mit dem Angebot «Le Ankebock», jeweils mittwochs und donnerstags. Etwas pompöser, als damals als Siebenjährige, aber die Grundidee ist geblieben. Gute Grundprodukte und dann teilen. Der Gast kann wieder mitreden und selber entscheiden. Dann wird auch wieder beim Essen über das Essen geredet.

BM: Wie seid ihr jetzt organisiert, zu wievielt arbeitet ihr?

Céline: Wir sind – egal, wo wir sind – zu zweit und arbeiten dann mit mehr oder weniger Personen zusammen. Hier in Bern arbeiten wir nun zu viert im Kernteam und haben viele weitere Helferinnen und Helfer, beide Grosseltern backen Friandises zum Kaffee, unsere Mutter unterstützt uns sowieso überall, der Götti kommt mal, um abzuwaschen.

BM: Es sind also nicht nur auf der Produktionsseite mehr Hände am Werk, als die Gäste vielleicht meinen, sondern auch in der Gastronomie sind nicht nur eure vier Hände am Werk.

Camille: Es fühlt sich wohl wegen unserem Umfeld auch sehr selten wie richtige Arbeit an, wir haben schliesslich auch den Vergleich dazu, als wir klassisch angestellt waren. Wir arbeiten mit der Familie, der Schwester, unsere Mitarbeitende werden schnell zu Freunden, die Produzierenden ebenfalls. Es ist schön wenn man dann auch noch obendrauf damit Geld verdienen kann, auch wenn es schon sehr viel zu tun gibt.

BM: Wie sieht eure Arbeitswoche aus?

Céline: Hier in Bern haben wir nur vier Tage offen, weil wir sicher einen Tag brauchen für Admin, Bestellungen, etc.. In der Küche sind wir dann jeweils vom frühen Nachmittag bis ungefähr bis Mitternacht, manchmal auch länger. Am Morgen sind es dann auch nochmal etwa vier Stunden, während denen wir Sachen erledigen, Emails, Einkäufe. Und dann versuchen wir zwei Tage abzuschalten.
Camille: Wir sehen uns halt auch privat sehr viel, da arbeiten wir sehr eng zusammen und sind immer wieder kurz am arbeiten.

„Es cha de mau räble, aber denn isch de o widr guet.“

Celine Rohn über Konflikt mit ihrer Schwester

BM: Ihr habt einen ähnlichen Hintergrund, seid beide mit Herzblut von eurer Arbeit überzeugt. Wie löst man da Meinungsunterschiede?

Céline: Schlegle, wie womr Ching si gsi! (beide lachen)
Camille: Wir teilen es recht gut auf. Ganz konkret; in der Küche macht eine Vorspeise und Dessert, die andere den Hauptgang. Dann kommt vielleicht trotzdem eine zur anderen und macht Vorschläge, aber es ist klar, wer die Führung hat. Bei anderen Spannungen, etwa bei der Frage, ob wir im Sommer ins Pushlav oder ins Tessin gehen wollen, gibt es zwar schon Spannungen, aber da haben wir unser individuelles Umfeld, wo man sich abregen kann und den Ausgleich findet.
Céline: Da wir Schwestern sind, redet man über Spannungen und man steigert sich nicht hinein. Und wenn es knallt, vertragen wir uns rasch wieder.

BM: Im Sommer hattet ihr einen Alpsennenkurs absolviert, habt geimkert und habt bei einer Winzerin mit Aprikosenbäumen gearbeitet. Findet man die Lebensmittel jetzt auf dem Teller bei euch?

Céline: Wegen der schlechten Ernte gab es bei der Winzerin gar nicht so viel Wein, den man hätte verkaufen können. Es war mehr der Austausch, der bleibt und die Freundschaft. Honig haben wir weiterhin fest auf dem Schirm, auch die Nebenprodukte vom Honig, die würden wir gerne auf dem Teller präsentieren. Der Käse war leider schon vor dem Projekt alles gegessen.
Camille: Den Frischkäse, den wir immer wieder machen, könnten wir ohne das Wissen aus dem Kurs gar nicht herstellen. Wir versuchen jetzt auch etwa alle zwei Wochen Produzierende zu besuchen. Zum Beispiel waren wir vor zwei Wochen in Fechy, bei einer Winzerin – wir arbeiten nur mit Winzerinnen zusammen.

BM: Liebe Camille und liebe Céline, vielen Dank für das Gespräch! Wir sehen uns im Aplati oder en route.

Bis Ende April triffst du APLATI in der Schalterhalle im Rossfeld Bern noch an. Mehr Infos hier: www.aplati.ch

Fr 11.03. 2022