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#3 BILDGEWANDT: «SALZHUNGER»

Grafic Novel von Matthias Gnehm

Passend zu den orangen Fahnen, die zur Zeit aus den Fenstern hängen, nimmt einen Matthias Gnehm auf eine Odyssee nach Lagos, wo eine skrupellose Rohstoffirma ihr Unwesen treibt. Von Dela Wälti

«Globaler Kollap“. Arno Beder starrt auf den Bildschirm, seine Augen weit aufgerissen, zwei schwarze Punkte, an denen die Welt vorbeizuziehen scheint wie der Film auf seinem Laptop. Er schafft es einfach nicht das fehlende «S“ zu drücken. Wobei sein Dokumentarfilm nicht das Einzige ist, womit er Mühe hat abzuschliessen. Auch seine letzte Beziehung verfolgt ihn noch immer, lässt ihn gebeugt durch sein Leben schlurfen, als würde er schlafwandeln.

Die Umwelt ist hier nicht das Einzige, was kollabiert (Bild: Matthias Gnehm)

Matthias Gnehm setzt diese Lethargie geschickt in seinen Bildern um. Die Farben werden nur angedeutet. Ein Hauch ist alles, was in dieser Welt an Leben übrig ist. Dies beginnt sich erst zu ändern, als Arno mit der Umweltaktivistin Paula Hofer auf Lagos reist. Die Farben werden kräftiger. Es mischen sich auch Braun- und Gelbtöne ins Grau. Zusammen mit dem nigerianischen Blogger Anthony Nwoko wollen sie Beweise sammeln für die illegalen Machenschaften des Rohstoffriesen Boromondo. Aber selbstlos ist hier keiner. Selbst die «Guten“ werden getrieben von Rachegelüsten, Machthunger und Todessehnsucht. Bei einer Moral, die sich vorwiegend in einem Bereich bewegt, der so Grau ist wie die Seiten der Graphic Novel, erstaunt es nicht, dass sich bald alle Figuren in einem Netz aus Lügen und Korruption wiederfinden. Denn nichts leuchtet in «Salzhunger“ so sehr wie frischgedruckte Banknoten.

Geld regiert die Welt, zumindest in „Salzhunger“ (Bild: Matthias Gnehm)

Matthias Gnehm hat seine Graphic Novel an die «ehemaligen Bewohner von Otodo Gbame“ gewidmet. Menschen, die aus ihrem Zuhause vertrieben worden sind, um Platz zu machen für neue Luxus-Wohnungen. Gnehm hat den Slum nur einen Tag, nachdem ein Jugendlicher in den Protesten getötet worden ist, besucht. Dieses Ereignis verarbeitet er in seinem Buch: Es ist der Tod eines jungen Mannes, der Arno endlich wachrüttelt. Als Leser hingegen muss man nicht erst aufgeweckt werden. Die Handlung schreitet rasch voran, Verschnaufpausen gibt es selten zwischen den Wendungen und Action-Sequenzen. Dadurch, dass Gnehm aber selbst Zeit in Lagos verbracht hat, gelingt es ihm auch trotz des hastigen Erzähltempos, die Stadt glaubwürdig und lebendig zu porträtieren. Vor allem die Panels ohne Sprechblasen bieten einen Ausgleich, wenn die Zeichnungen keine Worte brauchen, um ihre ganze Kraft zu entfalten. Schon nur der eindrücklichen Bilder wegen lohnt es sich die Graphic Novel nach dem Lesen noch einmal, zweimal, dreimal durchzublättern. Einige davon möchte man am liebsten ausschneiden, einrahmen und aufhängen lassen. Aber das wäre natürlich viel zu schade.


«Salzhunger“ beschäftigt sich mit einem wichtigen Thema: Unsere Verantwortung gegenüber einer Welt, die wir uns teilen müssen. Es wird die unbequeme Frage gestellt, was alles geschehen muss, damit wir die Augen öffnen. Für Arno musste ein Junge sein Leben lassen. Was braucht es bei uns? Ein Thema, das nicht nur unglaublich wichtig, sondern auch hochaktuell ist, speziell in Bezug auf die kommende Abstimmung.

Für die zukünftigen Bewohner von Otodo Gbame.

Infos

Salzhunger
Matthias Gnehm
224 Seiten, farbig, 17 x 24 cm, Broschur
CHF 39.80/EUR 32.00, inkl. Versand
Edition Moderne Verlag Zürich
Erschienen 16. Mai 2019

ab sofort im Handel

Mo 27.05. 2019

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