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Sefina: 1001 Nacht am Märitstand

Seit 16 Jahren kochen und backen Carmen und Boualem arabische Spezialitäten für ihre Märitkundschaft an der Münstergasse. Hinter «Sefina» steckt viel Herzblut und der Wunsch, alte Traditionen und Rezepte zu erhalten. Von Aline Jordi

Keine Ahnung, wie viele Male ich bereits an diesem Stand vorbeigelaufen bin, aber heute bleibe ich davor stehen. Ausnahmsweise brauche ich nämlich kein Gemüse, sondern ein Zmittag. Zur Begrüssung gibt es heissen, süssen Marokkanischen Tee – genau das Richtige an diesem kalten und nebligen Samstagvormittag. Bevor sich Carmen trotz vieler StammkundInnen Zeit für mich nimmt, lasse ich mir von der Aushilfsverkäuferin verschiedene Fatayer (gefüllte Teigtaschen) und eine Dattelbrioche für je 3.50 einpacken; der Taboulé-Salat ist leider schon ausverkauft. Fast bereue ich meine Wahl, als eine Kundin neben mir erwähnt, dass sie extra aus Genf angereist sei um den beliebten Dattelkuchen zu kaufen. Die süsse Frucht hat gerade Saison und die neue Ernte ist eingetroffen. Das erinnert mich daran, wieder einmal diesen leckeren orientalischen Rüeblisalat mit Datteln und Minze zu machen.

Der Beginn von «Sefina» basiert eigentlich auf einer Liebesgeschichte: Carmen’s Mann Boualem ist Algerier und hat seine kulinarischen Wurzeln in die eheliche Küche gebracht. Seither teilen sie die Faszination für das Essen und die Traditionen im arabischen Raum. Auf dem Samstags-Märit in der Münstergasse sind sie seit 1999, wo sie anfänglich noch mit Rollköfferchen (und ohne Auto) ihren kleinen Mietstand aufgebaut haben. Obwohl der «Orient-Boom» (wir erinnern uns an Khaled’s «Aïcha» und die Bauchtanz-Mode) in den folgenden Nuller-Jahren langsam abschwächte, ging es bei Sefina aufwärts. Jeder Gewinn wurde reinvestiert – in einen Kühlschrank, in ein erweitertes Sortiment, oder in den Stand. Und das alles ohne Fremdkapital. Heute betreibt die Familie Hammoul ein zusätzliches Catering und beliefert Kunden wie das Hamam in Bern. Da kann es öfters vorkommen, dass sich alle Aufträge aufs Wochenende konzentrieren und zwischen Märit und dem nächsten Tag nur 2-3 Stunden Schlaf liegen. Diese Nachfrage freut Carmen sehr, aber sie fände es schon auch schön, wenn sie wieder einmal eine Auszeit für Familie&Ferien nehmen könnten.

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Reisen ist nämlich ebenso eine Leidenschaft. «Sefina» bedeutet Schiff und symbolisiert die Brücke zum Maghreb und den nahen und mittleren Osten, von wo Carmen und Boualem die Produkte und Rezepte nach Hause bringen. Damit wollen sie ihren KundInnen die Arabische Küche («eine der gesündesten der Welt») nahebringen und gleichzeitig die traditionelle Herstellung bewahren, die mittlerweile selbst in den Heimatländern verloren gehe, da sie so zeitintensiv sei. Die schonende Verarbeitung der Lebensmittel ohne Konservierungsstoffe steht dabei im Vordergrund.

Die beiden vertreten die Philosophie, bei der Esskultur nicht nach den Unterschieden, sondern nach den Gemeinsamkeiten beider Welten zu suchen. Vieles aus der westlichen Kultur bzw. Religion habe schliesslich orientalische Wurzeln, so beispielsweise auch Gewürze wie Weihrauch und Myrrhe. Nebst Gewürzen und Geschenkartikeln findet man bei Sefina viel Selbstgemachtes wie eingelegte Zitronen, Fladenbrot, Hummus, Baba Ganoush, Falafel, Baklava, Griess-Schnitten, Gazellenhörnchen (marokkanische Mandelkekse), Saison-Kuchen und andere süsse Überraschungen.

Nun ist es auch an der Zeit, ein Resümee des Zmittags zu ziehen. Ich bin überrascht, wie vertraut und gleichzeitig fremd mir die Fatayer schmecken. Die unterschiedlichen Füllungen aus Curry, Gewürzen sowie Peperoni, Tomaten und Zwiebeln munden sehr. Am meisten mag ich die simple Tomaten-Zwiebel-Füllung: Wie ein perfekter italienischer Sugo, der stundenlang vor sich hin geköchelt hat. Nur pikanter und anders gewürzt. Ebenso ergeht es mir bei der Dattelbrioche. Obwohl da anzumerken ist, dass sich diese eher weniger als Take-Away-Dessert eignet. Sondern, wie Boualem sagt, zu Kaffee oder Tee – ohne ist sie ein bisschen trocken. Ansonsten riecht sie trotz der exotischen Prise Safran heimelig nach Dreikönigskuchen und Dampfnudeln aus der Kindheit. Die Philosophie der Gemeinsamkeiten könnte nicht treffender umgesetzt werden.

Zum Abschied gibt’s ein unerwartetes Dankeschön in Form von Datteln, saisonalem Marronikuchen (ohne Mehl, mit Schokostreusel) und einer Kokos-Praline, die besser als jeder Bounty-Riegel schmeckt. Diese Herzlichkeit lässt einem schon auf den zweiten Besuch freuen, aber dann mit Dattelkuchen. Unbedingt.

Infos

Sefina – Arabische Spezialitäten (Web)

Auf der Höhe vom Bally-Laden (Münstergasse 50, 3011 Bern)

Märitstand:
Jeden Samstag von 08:00 - 12:30 (ganzjährig, Januar bis Dezember)

Mo 07.12. 2015