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Bloc Party – Hymns

Sie sind nicht tot, sie sind nur anders

Bloc Party haben die Welt warten lassen. Das ist spür- und hörbar: Auf ihrem neuesten Werk «Hymns» haben sie sich weit von ihr entfernt. Von Moritz Marthaler

Sie taten es schließlich nicht. Bis zuletzt konnte man bei der britischen Band Bloc Party davon ausgehen, dass mit ihnen passiert war, was mit britischen Bands nach einigen Jahren so passiert: Sie lösen sich auf. Es war nicht zum ersten Mal, dass man sich um den Fortbestand der jungen Briten Sorgen machen musste. Frontmann Kele Okereke schlug sich die Nächte mal wieder als DJ um die Ohren, presste das zum wiederholten Mal auch auf Vinyl, und die Jahre seit dem letzten Album «Four» (2012) gingen immer rascher dahin. «Als ich mit Bloc Party anfing, ging es um Intensität und Kraft. Jetzt geht es um Verwirklichung», sagte der 34-Jährige vor zwei Jahren in einem Interview.

Worten folgten Taten. Für die neue Platte «Hymns» hat sich Okereke neues Personal besorgt, wohl nicht nur, weil es offenbar Differenzen gab, sondern auch, weil Okereke Anderes, Neues vorhatte. Drummer Matt Tong fehlt, ebenso Bassist Gordon Moakes. Verloren ging insbesondere Tongs Tempo, das gerade dem Debütalbum «Silent Alarm» zu einem ungemeinen Drive verholfen hatte, von dem die Band auch auf den Folgewerken zehrte. Aber wie klingt es denn, wenn nicht nach dem, was wir schon kannten? Nun, da sind zuerst einmal Synthesizer, früher bestimmt kein treuer Begleiter von Bloc Party. Der Opener «The Love Within» wurde in der Single-Auskopplung von vielen Fans bereits verspottet – zu abgefahren sind den hartgesottenen Anhängern aus den indielastigen Nullerjahren die tranceartigen Synthie-Riffs.

Das Sphärische zieht sich ziemlich konsequent durch die 15 Songs. Bloc Party sind nicht mehr so nah dran am Leben, wie als sie in der Bret-Easton-Ellis Hommage «Song For Clay» noch der Völlerei in dessen Roman «Less than Zero» huldigten. Bloc Party sind weg von der Straße, auf der sie nach den Terroranschlägen 2005 in London aus Protest das wütende, starke «Hunting For Witches» spielten. Bloc Party sind angekommen im gesitteten, coolen Schwebezustand, in dem sich ehemals wilde Bands aus dem Londoner Indieklüngel und dessen Dunstkreis zu fallen lassen pflegen. Bereits Track Nummer zwei klingt wie ein Beat von The Streets, dem abgeklärtesten aller englischen Rapper. Und wenn Okereke auf «Eden» und «Paraíso» die ganz großen Fragen stellt, weiß man, was aus der Prägung durch seine strenggläubigen Eltern geworden ist «Feed me poisoned apples», singt er da einmal, doch die apokalyptische Todessehnsucht ist vielleicht etwas gar verfrüht. Denn Bloc Party können ganz gut überleben so. Sie sind nicht tot, sie sind nur anders. Am Schlagzeug klafft nicht nur eine Lücke von verlorener Power, Louise Bartle, die Neue, bringt auch eine andersartige, sanfte Färbung ins Spiel, die sich ebenso mit Okerekes hellem Timbre ergänzt. «Cause Rock’n’Roll has got so old» haucht dieser auf «Into The Earth» – und liefert so zumindest den Ansatz einer Erklärung für den Kulissenwechsel.

Und sowieso: Am meisten verspricht der neue Kurs von Bloc Party für Liveshows. Das neue Material erlaubt mal einen Rhythmuswechsel zwischen den Krachern, von denen aus alten Tagen ja noch einige übrig sind. «Banquet» etwa, das einst mit einem nur kurzzeitig verfügbaren Video für Aufsehen sorgte. Darin versuchte ein herrenloses Paar Hände, Okereke und Konsorten zu erstechen. Es gelang nicht. Bis heute nicht.

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ab sofort im Handel

So 07.02. 2016